von sineous » Fr Jun 17, 2016 8:06 am
Zu dem Thema musste ich doch glatt was loswerden - als eine aus der Generation, die mit der Einführung des Internet groß geworden ist und nun im Medienbereich arbeitet (Jahrgang 1986). Generell stimme ich HenrikL zu - Eltern müssen ihrer Verantwortung zur Erziehung ihrer Kinder mehr nachkommen.
Ich habe oft genug beobachtet, wie Freunde oder Bekannte von mir ihrem Kind einfach aus Bequemlichkeit das Tablet oder Handy in die Hand drückten, in der Hoffnung, eine halbe Stunde Ruhe zu haben. Oder als Besuch da war und das Kind nach Aufmerksamkeit schrie, es für eine Stunde und mehr vor eine Dauerschleife Netflix-Kinderprogramm setzten, um mehr Zeit für den Besuch zu haben! Man rechtfertigt sich damit, dass das Kind den Umgang mit den "neuen Technologien" lernen soll. Gleichzeitig überwacht man alles kleinlich, was das Kind so am PC treibt und installiert Sicherheitsfilter für nicht-jugendfreie Inhalte.
Man überbehütet nebenbei den Nachwuchs, indem man ihn nicht draußen spielen lässt - höchstens noch im eigenen Garten. Wenn ich in "Ausländerviertel" Wiesbadens gehe, sehe ich noch vereinzelt Kinder auf den Straßen und erinnere mich mit tränendem Auge daran, welchen Unfug ich auch früher in der Nachbarschaft getrieben habe: mit den Nachbarskindern auf Bäume klettern, Fahrrad fahren auf dem Parkplatz des nahen Einkaufscenters, eine Währung aus Baumblättern eingeführt... In den typisch deutschen Haushalten wird man vermutlich als "Rabenmutter" oder "-vater" geschimpft, wenn man Kinder stundenlang unbeaufsichtigt spielen lässt. So bleibt ihnen zwangsweise nur der PC im heimeligen Wohnzimmer, wo die Eltern schön alles beaufsichtigen können in dem Glauben, dem Kind damit etwas Gutes zu tun. [Sorry Ibasella, ist nicht gegen dich persönlich - ich habe viele Freunde, die das genauso sehen und die ich bisher vergeblich versuchte, vor solchem Denken zu bewahren.]
Aber da muss man sich doch selbst an den Kopf fassen. Natürlich erzieht man so nur Deppen, wie Ibasella sagte, die nicht eigenständig lernen, die Welt und deren Möglichkeiten, aber auch die Risiken zu erkunden.
Das Problem ist aus meiner Sicht, dass die Eltern meistens selbst keine Ahnung von den "neuen Medien" haben und wie man Kinder so erzieht, dass sie diese verantwortungsvoll nutzen. Wenn ich sehe, wie Freunde jedes Babyfoto des Nachwuchses bei Facebook posten, Germanys Next Topmodel vergöttern und sich dann über Pädophile im Netz oder Cybermobbing aufregen, oder dass die Teenie-Tochter viel zu leichtgläubig vor ihrer Webcam posiert - da kann ich mir nur an den Kopf fassen. Oder auch klassisch; wenn Menschen mir erzählen, dass sie ihren E-Mail-Account löschen mussten wegen zu vielen Spam-Mails; dann veröffentlicht doch nicht eure Adresse überall so, dass Spam-Bots leicht drauf zugreifen können! Aus meiner Sicht müssten deshalb viel mehr Internet-Crashkurse angeboten werden - nicht nur für Senioren! Auch vermeintlich "erfahrene", gerade junge Leute unterschätzen oft die Risiken, denen sie begegnen.
Aber Leute, lasst das helikoptern - wir müssen unseren Kids mit gutem Beispiel VORLEBEN, wie sie etwas richtig machen. Indem wir sie überwachen, schaffen wir nur obrigkeitshörige Maschinen, die keinen Mut haben, auch mal etwas auszuprobieren. Die Welt braucht Kinder, die mutig sind und sich trauen, in der Welt etwas zu bewegen und sich nicht im Kinderzimmer verkriechen aus Angst, es den Etern nicht recht zu machen.
__
Look deep into nature, and then you will understand everything better.